Therapeuten Werbung: Bei Werbung für Kinesiologie ist fast alles ein Wirkversprechen

Die juristische Luft für Heilpraktiker, die kinesiologisch arbeiten, wird immer dünner.

Wenn Therapeuten Werbung für Kinesiologie machen wollen, ist das ein Tanz auf einem Vulkan. Rechtsanwältin Dr. Anette Oberhauser hat mir ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm zukommen lassen, das für Therapeuten relevant ist, welche kinesiologisch arbeiten und das auf ihrer Website publizieren. Ein OLG ist die Berufungsinstanz für Urteile, die ein Landgericht gesprochen hat. Nachdem ich es gelesen habe, kann ich mich nicht mehr des Eindrucks erwehren, dass hier eine elegante Form der Hexenjagd betrieben wird.

Ich habe das Urteil an manchen Stellen vereinfacht und in verständlicheres Deutsch übersetzt:

Kinesiologische Behandlungsverfahren dürfen nicht mit fachlich umstrittenen Wirkungsangaben beworben werden, wenn in der Werbung die Gegenmeinung nicht erwähnt wird. (Leitsatz des Gerichts) OLG Hamm, Urteil vom 20.5.2014 – 4 U 57/13

Sachverhalt

Die Beklagte hatte auf ihrer Website für kinesiologische Behandlungsverfahren geworben. Sie hatte auch darauf hingewiesen, dass man in der begleitenden Kinesiologie nicht therapeutisch tätig werde und die Behandlung keine ärztliche Untersuchung ersetze. [Dies zeigt, dass der Disclaimer nichts nützt!] Die Wirkung der Kinesiologie ist freilich fachlich umstritten. Ein deutlicher Hinweis auf die Gegenmeinung fand sich in der Werbung jedoch nicht.

Das LG hat die Beklagte auf Antrag des klagenden Wettbewerbsvereins (vermutlich der Verein für sozialen Wettbewerb) zur Unterlassung verurteilt.

Entscheidung

Das OLG Hamm bestätigt das erstinstanzliche Verbot.

[Ab hier benutzt das OLG indirekte Rede, weil es die Aussagen des LG wiederholt, aber ich habe die Formulierungen in direkte Rede umgewandelt:] Die Werbeaussagen sind, soweit sie einen Krankheitsbezug (§ 1 I Nr. 2 HWG) aufwiesen, nach § 3 S. 1, 2 Nr. 1 HWG unzulässig.

Auch wenn die Beklagte keine Heilung allein durch die Anwendung der (begleitenden) Kinesiologie in Aussicht stelle, suggeriere sie doch, dass ihre Behandlung als Unterstützung einer medizinischen Behandlung zur Linderung bestimmter Krankheiten bzw. Beschwerden beitragen könne und insoweit eine Wirkungsmöglichkeit bestehe. [In dem Moment, wo man Kinesiologie einsetzt, geht man natürlich davon aus, dass sie wirkt, sonst könnte man es ja lassen. Für mich als Texterin stellt sich die Frage, wie man über Kinesiologie schreiben kann, ohne zu suggerieren, dass sie zur Linderung beitragen kann.]

Weil der Kläger hinreichend vorgebracht hat, dass die Wirkung der Kinesiologie fachlich umstritten ist, greift eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast ein. [Beweislastumkehr bedeutet, dass die Beklagte, also die Heilpraktikerin, beweisen muss, dass die Wirkung von Kinesiologie sehr wohl wissenschaftlichen Erkenntnissen entspricht.]

Die Beklagte habe dann ihrerseits nicht nachgewiesen, dass ihre Werbebehauptungen gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entsprechen. Es komme nicht darauf an, ob es in der medizinischen Praxis und Wissenschaft auch Befürworter der kinesiologischen Verfahren gebe. [Offensichtlich hat die Beklagte Befürworter benannt, aber das Gericht lässt diese nicht gelten, weil ihre Meinung nicht die herrschende ist.] Ebenso wenig änderten die Einwendungen der Beklagten gegen die inhaltliche Richtigkeit der vom Kläger angeführten Untersuchungen etwas daran, dass die beanstandeten Werbeaussagen wissenschaftlich umstritten sind. Die Beklagte weist in ihrer Werbung nämlich nicht deutlich auf die Gegenmeinung hin. [Ich werde versuchen, herauszufinden, ob man für Kinesiologie werben darf, wenn man auf seiner Website auf Gegenmeinungen hinweist.]

Unerheblich sei schließlich, ob die Beklagte ihren Kunden unmittelbar vor der Behandlung weitere Informationen zukommen lasse, weil eine nachträgliche Aufklärung die einmal eingetretene Irreführung nicht beseitigen könne. [Es reicht also auch nicht, jemanden nachträglich umfassend aufzuklären, weil der „Irrtum“ aus mir unerfindlichen Gründen nicht beseitigt werden kann – diese Argumentation finde ich unschlüssig und tendenziös.] (…)

Dieses Urteil beweist einmal mehr, dass die Rechtsprechung Energiemedizin für Humbug hält.

Werbetexte für Therapeuten zu schreiben ist ein Spießrutenlauf. Früher wurden Hexen verbrannt, weil sie mit dem Teufel im Bunde steckten. In der Moderne werden Heilpraktiker*innen in Deutschland (in vielen anderen Ländern ist man da viel großzügiger!) verklagt und verurteilt, weil sie angeblich wirkungslose Heilmethoden anwenden und behaupten, sie seien wirksam. Die Methoden, gegen alternative Therapeuten vorzugehen, sind feiner geworden – man bringt sie nicht mehr ums Leben, sondern nur noch um ihre Existenz. Denn wie soll man im Zeitalter des Internets für eine Behandlungsmethode werben, mit der man gute Erfahrungen gemacht hat, wenn man nicht die Wirkungsweise beschreiben darf? Viele Menschen denken immer noch, Heilpraktiker seien per se nur für ganz eingeschränkte Krankheitsfälle und könnten die harten Nummern nicht bewältigen. Andere denken, man könne den Heilpraktiker-Schein in einem Wochenendseminar machen. Dabei werden Heilpraktiker in der Prüfung beim Gesundheitsamt auf Herz & Nieren geprüft – und die meisten fallen durch! Wenn also jemand Heilpraktiker ist, kann man davon ausgehen, dass er Ahnung hat von dem, was er tut.

Wenn du Heilpraktiker bist und eine Website bzw. Werbetexte brauchst, solltest du dich einem Werbetexter anvertrauen, der sich in der Materie auskennt, Juristendeutsch versteht und mit einem guten Fachanwalt zusammen arbeitet. Denn wenn du die Texte selbst schreibst bzw. sie von einem Werbetexter schreiben lässt, der von dem Thema keine Ahnung hat und die Fallstricke nicht sieht, könntest du bald Post vom Verband Sozialer Wettbewerb erhalten.