Viele Unternehmer unterschätzen die Bedeutung ihres Logos – ich kenne sogar welche, die zwei verschiedene Logos gleichzeitig unters Volk bringen. Besonders, wenn du unterschiedliche Angebote unter einen Hut bringen willst, solltest du das Logo sehr sorgfältig entwickeln. Dein Logo vereinigt in sich die wichtigsten Werte deines Unternehmens: Wie willst du wahrgenommen werden? Und wie willst du in drei Jahren wahrgenommen werden? Wenn du edel und gediegen auftreten willst, sieht das Logo natürlich anders aus, als wenn du frech und modern wirken möchtest. Auch die Farbe spielt eine große Rolle.
Wie komplex es ist, die richtige Bildmarke zu finden, möchte ich heute nicht besprechen. Heute geht es um die Schrift. Ich habe einen Ordner voller Schriftarten – diesen habe ich angelegt, damit meine Kunden und ich bequem analog blättern können, anstatt am Bildschirm eine Schriftart auszuwählen. Und wenn ich ein Logo kreieren soll, komme ich mir vor wie eine Castingagentur.
Unter den Schriftarten gibt es roboterhafte Soldaten, kapriziöse Diven, verwegene Helden, entspannte Hippies und noch viele andere Charaktere. Man muss sie richtig besetzen, damit die Rolle glaubwürdig ist, und anders als richtige Schauspieler haben viele Schriftarten wirklich nur ein sehr kleines Rollenrepertoire.
Dies ist Ebrima, eine von den „Soldaten“-Schriften: Sie tut ihre Pflicht. Die Buchstaben stehen brav nebeneinander, aber die Schrift hat keinen eigenen Charakter. Sie macht sozusagen die Drecksarbeit, kann aber nicht glänzen und eignet sich höchstens für die Subline (diese nämlich darf die Hauptaussage des Logos nicht stören). Eine solche Schrift würde ich nicht für deinen Firmennamen verwenden.
Das ist Samantha, eine freundliche, elegante Dame aus den USA. Sie ist nett, umgänglich und mag gerne Deckchen und Nippes, und man wird ihr nicht anmerken, wenn sie sich ärgert. Für eine Schreibschrift ist sie ziemlich gut zu lesen (bis auf das I, das man auch leicht für ein L halten kann), und sie wird mit vielen unterschiedlich ausschweifenden Schnörkeln zu allen einzelnen Buchstaben verkauft. Ich habe sie einmal (ohne Schnörkel) für eine Heilpraktikerin verwendet – und tatsächlich würde ich sie auch immer nur einer weiblichen Kundin geben. Außer für Heilpraktiker würde ich sie einsetzen für Schokolade, schöne Unterwäsche und andere nette Sächelchen.
Hier siehst du Antonio Light. Aus Süditalien kann Antonio wohl kaum kommen, denn er ist ziemlich steif und streng. Ich finde, er braucht viel Aufmerksamkeit und hört sich gerne reden, auch wenn er leider sehr verkopft und sperrig daherkommt, so dass es anderen Menschen weniger Spaß macht, mit ihm zu sprechen.
Diese Schrift funktioniert am besten für Architekten (finde ich wenigstens), für Anwälte, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und ernste Herrschaften. Ich habe sie einmal in einem Flyer für eine Stammkundin verwendet, die mit einem Künstler zusammen eine Ausstellung machte, und wo der Künstler in seiner Skizze ähnlich geschrieben hatte.
Das ist Desyrel. Sie ist unkompliziert, fröhlich, entspannt, nicht allzu seriös und man kommt gut mir ihr klar. Für eine Anwaltskanzlei würde ich sie nicht einsetzen, aber z.B. gerne für ein Bio-Unternehmen oder ein trendiges Lebensmittel. Für einen Coach kann man sie auch einsetzen, aber nur, wenn der Coach wirklich eine sehr coole Socke ist! Für ein seriöses Unternehmen ist sie zu lommelig.
Diese Schrift hast du sicher schon irgendwo gesehen – es ist Segoe. Sie ist ein nettes Mädchen und in deinem Logo ein prima Sekundant (Subline), unaufdringlich, gut zu lesen, aber als Häuptling (= Firmenname in Ihrem Logo) finde ich sie zu brav und zu nichtssagend. Als Chef wäre mir Desyrel noch lieber als Segoe.
Trajan hast du sicher auch schon viele Male gesehen. Trajan (53 bis 117 n. Chr.) war ein römischer Kaiser, und zwar derjenige, unter dem das Römische Reich seine größte Ausdehnung hatte. Auch die Schriftart ist königlich – sehr edel, erhaben, dennoch zurückhaltend und nicht protzig. Man sieht sich auch nicht so schnell an ihr satt. Man kann sie überall dort einsetzen, wo Seriosität und Sicherheit vermittelt werden wollen. Ich habe Trajan bei einem Anwalt, einer Wissenschaftslektorin und einer Praxis für Entspannung verwendet.
Und das waren jetzt nur sechs Schriften – unter Tausenden.
Jede Schrift ist ein Charakter.
Es gibt Schauspieler, die immer sich selbst spielen können (ich denke z.B. an Til Schweiger, Rupert Grint als Ron Weasley, Klaus Behrendt vom Kölner Tatort). Bei den Schriftarten (und Schauspielern) mit geringem Repertoire ist wichtig, sie richtig zu besetzen, sonst nimmt man ihnen die Rolle nicht ab. Bei einer falschen Schrift kann es passieren, dass man eine falsche Assoziation hat, z.B. ein Reiseunternehmen sieht, obwohl ein Osteopath beworben werden soll. Oder die Schrift ist wie ein Billig-Shirt von Primark, und man sieht sich spätestens nach wenigen Monaten an ihr satt.
Jede Schrift hat einen eigenen Charakter – oder eben auch keinen. Schaue die unterschiedliche Schriftarten an und spüre hinein, wie sich ein dazu passender Mensch anfühlen könnte. Ist er zickig? Einfältig? Vielleicht ein Angeber? Eine Frohnatur, die einem bald auf die Nerven geht? Oder hat er Widerhaken? Manche Serifenschriften haben Häkchen, an denen man sich fast eine Laufmasche in den Pullover holen kann!
Wie Schauspieler müssen Schriftarten außerdem untereinander zusammenpassen: Die Subline muss sich dem Firmennamen unterordnen – oder ihn ergänzen. Wenn der Assistent im Film zu viel Aufmerksamkeit braucht, konkurriert er mit dem Hauptdarsteller und der Zuschauer erlebt dies als Spannung. Im Film ist das oft gewollt und charmant, aber im Logo stört es eigentlich immer.
Mein Tipp daher: Mach‘ dein Logo nicht selbst. Komm‘ zu mir oder geh‘ zum Grafiker um die Ecke. ;)