LogoartikelLogoentwicklung wird oft unterschätzt. Viele Kunden haben bestimmte Vorstellungen von ihrem Logo und glauben, dass man sie alle unterbringen könne. Einige wollen zu viel Informationen in das Logo packen, andere wollen Bildmarken mit Schriftarten kombinieren, die nicht zusammenpassen.

Kürzlich wollte eine Kundin eine Schreibschrift zu einer goldenen Kugel in einer Schale. Mir hat das überhaupt nicht gefallen; ich fand es unprofessionell. Als ich der Kundin erklärte, warum das nicht gut zusammen aussieht, bemerkte ich, dass man ein Logo wie ein Tanzpaar begreifen kann.

Ein klassisches Tanzpaar besteht aus einer Dame und einem Herrn*. Die Dame ist schön, sexy und aufregend und macht Hebefiguren und laszive Bewegungen. Der Herr unterstützt die Dame, wirft sie durch die Gegend, fängt sie wieder auf und ist nur gerade so schön, dass er der Dame nicht die Show stiehlt. Idealerweise bilden sie eine Einheit, sowohl optisch als auch in der Bewegung. Sie fließen miteinander durch den Raum und sehen gut aus.

Wenn ein Logo aus einer Bild- und einer Wortmarke besteht, ist die Bildmarke die Dame und die Wortmarke der Herr.

Die Schrift der Wortmarke sollte sich zur Bildmarke genauso unterstützend und ansonsten zurückhaltend verhalten wie der Tänzer zu seiner Partnerin. Die Wortmarke darf also nicht mit der Bildmarke konkurrieren, sonst stiehlt sie ihr die Show. Im Tanz und im Ballett ist die Darbietung besonders schön, wenn die TänzerInnen sich synchron bewegen, oder – falls sie das nicht tun – wenn die Asynchronizität zumindest gewollt ist und dennoch harmonisch aussieht. Wenn im klassischen Ballett jeder macht, was er will, ist es kein Ballett oder erzeugt zumindest auch eine unangenehme Spannung (bitte beginne keine Fachdiskussion über Ballett oder Tanz mit mir, das soll nur eine Metapher sein!).

Wenn Sie ein Logo mit einer Schreibschrift haben, brauchen Sie in der Regel keine Bildmarke.

Jede Schriftart ist wie ein Schauspieler, den man richtig besetzen muss, und die meisten Schreibschriften sind Ladys mit Perlenkette und Beauty-Case. Sie sind ein bisschen schwierig, wollen hofiert werden, brauchen eine Stunde im Bad und bestellen die Soße immer auf einem Extrateller. Im Logo sind Schreibschriften daher bereits die Bildmarke, daher darf man für ein Logo, das aus Bild- und Wortmarke besteht, keine damenhafte Schreibschrift casten. Manche Schriftarten eignen sich gut für die Männerrolle im Tanzpaar, weil sie sich zurücknehmen und die Dame unterstützen. Wenn Sie für die Wortmarke eine Schreibschrift verwendet haben und eine Bildmarke einsetzen möchten, haben Sie einen Zickenkrieg: Das Logo wirkt unruhig, unharmonisch und daher nicht kraftvoll.

Zurück zu meiner Kundin: Sie hat die Metapher verstanden, und wir haben keine Schreibschrift genommen. Aber es war nützlich, diese Diskussion zu führen, denn sonst wäre mir diese schöne Metapher nicht eingefallen!

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*) Heute aus einer/m führenden Tanzenden und einer/m geführten Tanzenden.