Wenn man Esoterik per se für hirnverbrannten Humbug hält, wird man nur hirnverbrannten Humbug finden.
DIE ZEIT dieser Woche (Printausgabe) hat sich mit Esoterik beschäftigt, der Titel war: „Die Renaissance der Unvernunft“.
Esoterik ist Humbug – so kann man den Artikel in der ZEIT zusammenfassen, den ich diese Woche gelesen habe. Ich mag die ZEIT eigentlich, und sie hat – verglichen mit anderen Printmedien – noch einigermaßen fair über Esoteriker geschrieben. Aber trotzdem ist der Eindruck, den die Berichte beim Leser hinterlassen, eher ein schlechter: Esoterik wird reduziert auf Tarotkarten, Pendeln, Edelsteine und Wünschelruten, selbsternannte Gurus und falsche Hellseher. Der unbedarfte Leser muss annehmen, er könne nur wählen zwischen verschlagenen Betrügern einerseits, die ihm absichtlich für eine Theatervorstellung Geld aus der Tasche ziehen, und naiven Verblendeten andererseits, die zwar wenigstens selbst glauben, dass sie die behaupteten Fähigkeiten besitzen, deren Leistungen aber trotzdem wirkungslose Phantasiehandlungen sind.
Über „die Esoterik“ zu schreiben, geht eigentlich sowieso nicht.
Denn erstens gibt es viel zu viel Unterschiedliches, und zweitens versteht jeder etwas anderes unter dem Begriff. Für Hardcore-Atheisten zählen ja sogar Homöopathie, Systemaufstellungen und Tai Chi zur Esoterik, andere nehmen diese Methoden noch ernst, würden aber spätestens bei Quantenheilung oder Reiki die Augenbrauen hochziehen. Da ich hauptsächlich für Heilpraktiker und spirituelle Unternehmer arbeite, ist mir natürlich schon vieles begegnet, bei dem der Normalmensch die Augenbrauen bis zum Haaransatz hochziehen wird. Vieles davon habe ich abgelehnt, weil es mir zu unseriös erschien – so wie ich auch z.B. Unternehmer mit Finanzdienstleistungen in der Regel ablehnen würde. Die meisten meiner Kunden sind aus meiner Sicht normale Menschen, nur dass sie eben einen spirituellen Hintergrund haben.
Der Mensch sieht nur, was er glaubt. Immer.
Wenn Journalisten über Esoterik schreiben, wissen sie schon vorher, welchen Tenor ihr Bericht haben wird. Die ausgewählten Anbieter sind willkürlich, die Ausübenden werden ins Lächerliche gezogen (manchmal ganz fein durch die Wahl bestimmter Verben wie z.B. „glauben“ statt „berichten“), und mit den Methoden selbst beschäftigt sich der Journalist nur sehr oberflächlich, weil er ja von vorneherein weiß, dass alles Quatsch ist. Der Text, den der Journalist dann schreibt oder spricht, klingt daher immer so, als ob er einen sehr schmutzigen Lappen mit sehr spitzen Fingern anfassen müsste. Eine solche Berichterstattung ist ungefähr so neutral wie ein Lebensmittel-Gutachten, das von Nestlé in Auftrag gegeben wurde.
Natürlich gibt es unter esoterischen Anbietern zahllose Beispiele, die auch ich als unseriös bezeichnen würde.
Einmal habe ich auf einer Grenzenlos-Messe sogenannte Nullpunkt-Steine und Substanzen gefunden, die angeblich unbegrenzt Lebensenergie in sich speichern könnten. Der billigste kostete 40,-, der teuerste 500,-, und ein Lebensenergiesystem-Fläschchen kostete sogar 1.500,-. Man musste der Flüssigkeit in dem Fläschchen einen Tropfen des eigenen Blutes zufügen und es danach einfach irgendwo hinstellen. Ich habe das aber nicht ausprobiert und mir nicht einmal den billigsten Stein gekauft.
Die unseriösen Vertreter als Pars Pro Toto der Esoterik heranzuziehen, ist unfair und liegt neben der Sache.
Unter den als esoterisch beschimpften Methoden gibt es viele, die wirklich funktionieren. Reconnection z.B. wurde von einem amerikanischen Chiropraktiker entwickelt und scheint auch solchen Menschen zu helfen, die nicht daran glauben. Ich finde den Erfinder zwar nicht sympathisch und würde die Methode auch nicht erlernen, aber der Erfolg gibt ihm Recht.
Viele Methoden sind einfach so fein, dass man nichts spürt, wenn man nicht weiß, worauf man achten muss.
Das kann man mit dem Sachverstand bei Fußballspiel-Zuschauern vergleichen: Der ungeübte Beobachter sieht nur 22 Leute einem Ball hinterher rennen, aber der erfahrene Zuschauer erkennt intelligente Spielzüge und kann sie sogar auseinanderhalten. Wenn Otto Normalverbraucher zum Arzt geht, ist er nur an grobmotorische Einwirkungen gewohnt: Tabletten, Spritzen, Salben. Vielleicht wird ihm die Brust abgeklopft, der Arzt setzt ihm das Stethoskop auf die Brust, und er muss tiefe Atemzüge machen und auf Verlangen husten. Wenn er eine Spritze bekommt, piekst es, hinterher tut die schmerzende Stelle nicht mehr weh.
Behandlungen auf der feinstofflichen Ebene kann man damit nicht vergleichen, weil die Art der (Ein-)wirkung subtiler ist: Hände, die die Aura über dem Körper ausstreichen, spürt man eben nicht so deutlich wie ein kaltes Stethoskop auf der Brust. Aber nur weil sie subtiler ist und sie nicht jeder gleichermaßen spürt, heißt das ja nicht, dass „da nichts ist“. Es hat ja auch nicht jeder Kopfschmerzen, wenn er ein iPhone ans Ohr hält – auch wenn ich sogar Kopfschmerzen bekam, wenn ich das Ding 20 cm entfernt hielt.
Dass man für feine Wahrnehmungen unsensibel ist, liegt auch daran, dass die meisten Menschen fast immer nur denken und ihre Gefühle nicht mehr wahrnehmen.
Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass man seinen Körper nicht spürt, wenn man denkt oder nur einen Film anschaut – was in gewisser Weise ja dasselbe ist, weil man abgelenkt ist. Um Einwirkungen auf den Körper wahrzunehmen, braucht es dann eben etwas Deutlicheres als jemanden, der einem im Energiefeld herumwedelt. Und wenn man doch mal etwas Feines spürt, denkt man hinterher, man habe es sich nur eingebildet.
Ich kenne eine Dame, die Krankheiten über das „mentale Feld behandelt“. Die Methode heißt eigentlich anders, aber da ich nicht will, dass die Anwender juristische Probleme bekommen, nenne ich nicht den korrekten Namen. Ich habe mich mit der Methode berufsbedingt beschäftigt und kenne viele Menschen, die körperliche Beschwerden damit auflösen. Offiziell wird das natürlich nicht versprochen, aber die besagte Dame hat auch schon Schlaganfall-Patienten geholfen – sogar über die Ferne. In einem konkreten Fall hat die Dame erreicht, dass der Patient früher als erwartet auf die normale Station verlegt werden konnte. Die Ärzte konnten sich diesen schnellen Genesungsfortschritt natürlich nicht erklären. Ich habe die Dame gefragt, ob sie nicht versucht habe, einem Arzt zu erklären, was sie getan habe. Sie sagte: „Ja, einmal. Aber er hat mich einfach stehengelassen. Seitdem lasse ich es.“
Und ich kann solche Ärzte sogar verstehen. Ihr Weltbild ist dreidimensional und hängt davon ab, dass man Krankheiten mit Medikamenten und Operationen behandelt. Sie haben lange und intensiv studiert, um den Arztberuf ausüben zu können. Wenn dann jemand einfach behauptet, man könne Krankheiten über das mentale Feld heilen, ist das ein Affront und stellt alles auf den Kopf, an was sie je geglaubt haben. So einfach kann es ja nicht sein, nicht wahr? Die amerikanischen (und übrigens christlichen) Ärzte Ben Johnson und Alex Loyd, die das Buch „Die Healing-Codes“ geschrieben haben, sind in diesem Punkt zwar schon weiter, aber es sind eben auch Amerikaner. Sie zitieren in ihrem Buch berühmte Wissenschaftler, teilweise Nobelpreisträger, die schon vor vielen Jahren erstaunliche Dinge gesagt haben:
„Die Körperchemie wird von Quantenfeldern regiert.“
Prof. Murray Gell-Mann, Stanford-University, Nobelpreisträger 1969
„Menschen ohne Berücksichtigung des Energiebegriffs zu behandeln, heißt, tote Materie behandeln.“
Dr. Albert Szent-Gyorgyi, Nobelpreisträger von 1937 (Ungarn)
Dr. Alex Loyd ist Pfarrer und Arzt für Naturheilkunde, Dr. Ben Johnson ist Onkologe. Sie haben eine Vielzahl von Fällen mit „energetischer Medizin“ geheilt, genauer gesagt: sie haben den Patienten eine spezielle Methode gezeigt – die sogenannten Healing-Codes – mit der sie sich selbst behandeln und letztlich heilen konnten (in dem Buch finden sich zahlreiche Beispiele von Heilerfolgen). Dieses Beispiel beweist, dass es tatsächlich diesen feinstofflichen Bereich gibt, den man weder mit dem Verstand begreifen, noch mit normalen wissenschaftlichen Methoden nachweisen kann.
Ein bisschen mehr Gleichmut auf allen Seiten wäre schön.
Ich würde mir daher wünschen, dass sich nicht so viele Menschen darüber aufregen, wenn ein Mensch zu einem Kartenleger, zu einem Heiler, einem Hellseher oder meinetwegen auch einem selbsternannten Guru geht, und wenn der spirituelle Unternehmer mit dieser Dienstleistung seinen Lebensunterhalt verdient. Jeder muss schließlich von etwas leben. So lange beide Seiten zufrieden sind, geht dieses Geschäft niemanden etwas an. Es ist auch nachvollziehbar, dass ein Selbstständiger einen anderen Stundensatz nehmen muss als ein Angestellter, denn er muss sich selbst kranken- und rentenversichern. Die wenigstens Hellseher oder Heiler sind reich, sondern kommen gerade so über die Runden. Von „Abzocken“ kann daher in den meisten Fällen keine Rede sein, und schon gar nicht, wenn der Hellseher oder Heiler gutgläubig ist. Beide Vertragsparteien sind erwachsen und gleichberechtigt. Und kein gewissenhafter Heiler würde einem Klienten von einem Arztbesuch abraten – das ist nämlich unter Strafandrohung verboten.
Es mag sein, dass man die Wirkung mancher Methoden nicht sieht, aber bei vielen teuren Kosmetikprodukten sieht man auch keine Wirkung (ich denke z.B. an die Cremes gegen Hautalterung oder Cellulite), und keiner regt sich darüber auf.
Esoterik schadet weniger als Zigaretten und Alkohol.
Auch über den Tabak- und Alkoholkonsum und das entsprechende Marketing schimpft eigentlich niemand richtig laut, dabei richten diese Branchen erwiesenermaßen einen viel größeren Schaden an der Volksgesundheit an als die Esoteriker:
Pro Tag wurden in Deutschland in 2010 rund 229 Mio. Zigaretten geraucht. Das entspricht zirka 1.021 Zigaretten pro Einwohner in diesem Jahr und 11,45 Mio. Päckchen (wenn man 20 Zigaretten pro Päckchen zugrunde legt). Bei einem Preis von 5,- pro Päckchen ergibt das einen Umsatz von mehr als 57 Mio. Euro in 2010. Und hinzu kommt noch, dass der Raucheranteil in bildungsfernen und finanziell schwachen Haushalten besonders hoch ist. Das bedeutet, dieser Teil der Bevölkerung wird nicht nur gesundheitlich geschädigt, sondern auch finanziell: Das Rauchen verschlingt häufig 10-20 % des verfügbaren Einkommens (Quelle: Wikipedia).
Ich mache mir nicht vor, dass dieser Artikel irgendetwas ändert.
Ich wollte ihn trotzdem schreiben, weil es mein Blog ist und weil mich hier niemand unterbrechen kann. Jeder glaubt, was er will, der eine hat ein streng wissenschaftliches Weltbild, der andere ein streng christliches, wieder ein anderer ist Moslem und noch ein anderer ist Jude, Hindu, Buddhist oder was weiß ich. Und für jeden ist das Eigene das Eigentliche, das Normale, und alles andere ist unnormal – so sind wir Menschen eben. Was bleibt, ist die Hoffnung, dass wir irgendwann erkennen, dass wir alle eins sind. Auch wenn das für viele sicher auch wieder nur eine komische verschwurbelte Idee ist.
Ach und eins noch: Kritische Kommentare werden nur veröffentlicht, wenn sie sachlich sind und keine Beleidigungen enthalten – und was eine Beleidigung ist, bestimme ich. Denn wie gesagt: es ist mein Blog.
Liebe Frau Albrecht,
Ihr Artikel spricht mir aus dem Herzen. Objektiver Journalismus sieht anders aus… Nachdem ich die genannte Ausgabe der Zeit gelesen habe, werde ich keine mehr kaufen – ich muss ja davon ausgehen, dass die auch sonst so voreingenommen recherchieren.
In meiner homöopathischen Praxis erlebe ich täglich, dass es funktioniert, und wie! Eigentlich müsste man dafür Lobartikel ohne Ende ernten, da ja die Krankenkassen unheimlich entlastet werden aufgrund der nunmehr möglichen Einsparung an herkömmlichen Methoden.
Aber wir wissen ja: was nicht sein kann, das nicht sein darf!
Herzliche Grüsse
HP Carmen Hecht-Janßen
Liebe Frau Hecht,
vielen Dank für Ihren freundlichen Kommentar!
Ich hatte ein bisschen Angst, diesen Artikel zu publizieren, weil ich schon einmal einen kleinen Shitstorm (es war noch kein Sturm, eher eine Böe) erlebt habe.
Die Kassen würden sich vielleicht freuen über die Ersparnis, aber sie sind ja so von der Pharmaindustrie-PR gebrieft (um nicht zu sagen brainwashed), dass sie es einfach nicht glauben können. Und die Pharma würde an Homöopathika einfach viel weniger verdienen.
Mehr möchte ich in diesem öffentlichen Blog lieber nicht sagen. ;)
Ihnen auch herzliche Grüße
Michaela Albrecht
Danke für diesen Artikel, ich sehe das ganze Thema genauso und sie sprechen mir wirklich aus dem Herzen! Es ist einfach nur traurig wie subjektiv und voreingenommen über Schamanismus berichtet wird. Aber ich denke das auf lange Sicht doch mehr Toleranz in der Bevölkerung für dieses Thema aufgebracht wird und man endlich vernünftig darüber diskutieren kann :)
Danke für Ihren Kommentar, liebe Frau Meinhart,
ich stimme Ihnen zu, das kann man nur hoffen!
Es ist ganz einfach: Wenn das Heilverfahren (zB Homöopathie, Schamanismus, Heilkristalle) wirklich einen Effekt hat, dann gehen Sie damit an die Öffentlichkeit und demonstrieren Sie die Wirkung. Sollte tatsächlich ein Effekt da sein, dann wird ihm auch Beachtung geschenkt werden.
Es ist aber leicht in seinem geschützten, esoterischen Umfeld jemandem ein alternatives Heilverfahren zu verkaufen. Zu diesem Umfeld zählen auch homöopathische Praxen etc. Denn wer kommt denn und bittet um die Behandlung? Sicher kein skeptischer Mensch, der versucht das Verfahren objektiv zu betrachten.
Nach jahrelanger Anwendung von Homöopathie und der Konsultierung von Kinesiologen bin ich aus eigener Erfahrung zu dem Schluss gekommen, dass diese Methoden äußerst dubios sind. Ich habe mir sogar die Mühe gemacht, Hannemanns Werke zu studieren. Alleine wer die Geschichte solcher Heilmethoden kennt, kann sie einfach nicht mehr ernst nehmen (gleiches gilt für Wasserbelebung nach Johann Grander – dem ja Jesus mehrfach erschienen ist).
Das Problem liegt daran, dass die Verkäufer/Heiler sich selbst nicht mit ihren eigenen Methoden objektiv befassen. Da wird nur nach einem esoterischen Lehrbuch um EUR 5,00 von amazon.de praktiziert (sinnbildlich gesprochen)!
Vielen Dank für Ihren Kommentar, Herr Kuck!
Ich habe mit alternativen Heilmethoden so gute und mit Ärzten so schlechte Erfahrungen gemacht, dass ich einen Heilpraktiker auf jeden Fall einem schulmedizinischen Arzt vorziehen würde. Und bei plötzlichen körperlichen Beschwerden rufe ich eine Freundin an, die kinesiologisch arbeitet. Dennoch gehe auch ich natürlich zu Ärzten – diese arbeiten dann aber auch mit alternativen Heilmethoden, die von den Kassen nicht bezahlt werden, oder sie stehen diesen Methoden zumindest offen gegenüber. So habe ich einen hervorragenden anthroposophischen Hausarzt, der meine Neigung, z.B. die Verträglichkeit von Medikamenten kinesiologisch testen zu lassen, durchaus ernst nimmt.
Den Effekt von alternativen Heilverfahren darf man leider nicht einfach so bewerben und vorführen. Ich verweise dazu auf https://woerterfall.com/der-verband-sozialer-wettbewerb-hat-sie-abgemahnt-tipps-fuer-ihr-verhalten/ und auf https://woerterfall.com/heiler-geistheiler-ihre-schwammigen-formulierungen-und-fehlenden-referenzen/. Im Fernsehen wird über manche Verfahren zwar berichtet, aber meist mit süffisanter Diktion. Einzig über Homöopathie habe ich einmal einen sachlichen Bericht gesehen, interessanterweise beim Bayrischen Fernsehen: https://www.youtube.com/watch?v=LjhFjqjiT2w
Aber ich gebe Ihnen insofern Recht, dass auch unter Heilpraktiker viele Nichtskönner sind, so dass man sehr genau hinschauen muss, wen man sich ausgesucht hat. Aber das gilt für jeden Beruf, daher spricht das nicht gegen Heilpraktiker im Ganzen.